Unterm Hammer

Die Experten des Immobilienportals immowelt erklären, was man über Zwangsversteigerungen wissen sollte

Bei einer Zwangsversteigerung müssen viele Dinge beachtet werden. (Foto: Jochen Eckel, dpa)

Interview Doris Emmer

Es gibt sie immer wieder: Zwangsversteigerungen von Immobilien. Doch wie kommt es zur Zwangsversteigerung und wie läuft sie ab. Die Experten vom Immobilienportal immowelt AG erklären es hier.

Grundlage für eine Zwangsversteigerung einer Immobilie ist die Überschuldung des Besitzers. Was sind die häufigsten Gründe dafür, dass Haus- und Wohnungsbesitzer ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können?
immowelt: Die häufigsten Gründe sind privater oder beruflicher Natur: Scheidung, Krankheit, Tod des Hauptverdieners oder Verlust des Arbeitsplatzes. Eine bislang sichere Finanzierung kann durch solche einschneidenden Ereignisse plötzlich zu einer untragbaren Belastung werden. Seltener überschätzen Immobilienkäufer aber auch ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und kaufen über ihre Verhältnisse. Auch private Vermieter können von Zwangsversteigerungen betroffen sein, wenn zum Beispiel Mieter über längere Zeit nicht zahlen und die einkalkulierten Einnahmen wegbrechen.

Können Sie abschätzen, wie viel Immobilien in Deutschland in einem Jahr zwangsversteigert werden?
immowelt: Die Zahl der Zwangsversteigerungen ist seit Jahren rückläufig. Im letzten Jahr verzeichnete das Statistische Bundesamt 38 568 Zwangsversteigerungen sogenannter unbeweglicher Gegenstände, worunter vor allem Immobilien fallen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag die Zahl laut amtlicher Statistik noch bei 82.870.

Wenn ich mich für die Ersteigerung einer solchen Immobilie interessiere, wo kann ich mich informieren, was auf dem Markt ist?
immowelt: Auf immowelt.de können Interessenten gezielt nach Zwangsversteigerungen suchen, ebenso bei Sammeldiensten, die Zwangsversteigerungsbekanntmachungen der Amtsgerichte sammeln und online veröffentlichen, z.B. Argetra. Auch die Justiz selbst unterhält ein Portal, auf dem die Bekanntmachungen vieler Gerichte einsehbar sind (www.zvg-portal.de). Dort gibt es neben einer allgemeinen Beschreibung meist auch Gutachten und weitere Unterlagen zur direkten Einsicht. Die Gerichte vor Ort informieren spätestens sechs Wochen vor dem Versteigerungstermin im jeweiligen Amtsblatt und per Aushang.

Angenommen, ein Schuldner besitzt ein Einfamilienhaus mit einem Verkehrswert von 150.000 Euro. Er kann seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Die Gläubiger streben eine Zwangsversteigerung an. Wie geht man als Gläubiger vor und welche Rechte hat der Schuldner?
immowelt: Grundsätzlich ist die Zwangsversteigerung das letzte Mittel, wenn sich säumiger Schuldner und Gläubiger nicht einigen können. Der Gläubiger, also in den allermeisten Fällen die Bank, hat sich durch die Eintragung der Grundschuld weitgehende Rechte an der Immobilie gesichert, darunter auch die Möglichkeit, eine Zwangsversteigerung zu beantragen. Da ein normaler Verkauf tendenziell höhere Erlöse verspricht, vor allem in der derzeitigen Marktsituation, ist ein freihändiger Verkauf immer die bessere Wahl. In manchen Fällen lohnt es sich auch, mit der Bank zu verhandeln und eventuell eine Stundung oder eine Aussetzung der Tilgung zu vereinbaren. Solchen Vorschlägen wird die Bank aber nur zustimmen, wenn eine Besserung der finanziellen Verhältnisse beim Schuldner in Sicht ist.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Zwangsversteigerung vom Schuldner abgewendet werden?
immowelt: Wurde die Zwangsversteigerung bereits beantragt und angeordnet, hat der Schuldner Gelegenheit, diese einstweilig aufzuschieben (§ 30a ZVG). Hierfür muss er dem Gericht glaubhaft darlegen, innerhalb von sechs Monaten wieder zahlungsfähig zu sein. Eine Abwendung der Zwangsversteigerung kann aber nur im Vorfeld angestrebt werden, nicht im Nachhinein. Sobald die Zwangsversteigerung abgeschlossen ist, hat der ehemalige Eigentümer keine Möglichkeit mehr, die Transaktion rückgängig zu machen. Das Eigentum geht mit Zahlung an den Höchstbietenden über.

Wie läuft das Prozedere am Versteigerungstag ab?
immowelt: Die Versteigerung beginnt mit der Feststellung der Verfahrensbeteiligten und der Verlesung der relevanten Daten zur Immobilie: Grundbucheintrag sowie per Gutachten festgelegter Verkehrswert des Objekts. Sind die Formalitäten erledigt, wird das festgelegte Mindestgebot bekannt gegeben. Wer an der Versteigerung als Bieter teilnehmen möchte, muss sich mit Personalausweis oder Pass ausweisen und in den meisten Fällen eine Sicherheitsleistung hinterlegt haben - in Höhe von zehn Prozent des festgelegten Verkehrswerts per Bankbürgschaft, Bundesbankscheck, Verrechnungsscheck oder Überweisung. Bei erfolglosem Gebot wird diese Summe erstattet, bei Erfolg mit dem gebotenen Betrag verrechnet. Dann beginnt die eigentliche Versteigerung, die sogenannte Bieterstunde. Diese dauert mindestens 30 Minuten, eine Grenze nach oben gibt es nicht. Sie endet, wenn das letzte Gebot abgegeben ist. Geboten wird mündlich. Werden keine höheren Gebote mehr abgegeben, verkündet das Gericht drei Mal das letzte Gebot, verbunden mit der Aufforderung, jetzt noch zu bieten. Bleiben weitere Gebote aus, erhält der Höchstbieter in der Regel den Zuschlag. Beim ersten Versteigerungstermin kann auf Antrag des Gläubigers jedoch der Zuschlag verweigert werden, wenn das Gebot unter 70 Prozent des festgelegten Verkehrswerts liegt. Bei weniger als 50 Prozent muss das Gericht den Zuschlag sogar verweigern. Wird ein zweiter Termin nötig, entfallen diese Grenzen. Der Gläubiger kann aber dennoch während des Termins die einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung erwirken.

Haben Sie Tipps, wie man als Interessent bei einer Zwangsversteigerung an eine preiswerte Immobilie kommen kann?
immowelt: An begehrten Standorten beziehungsweise in engen Märkten ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, Immobilien in ordentlichem Zustand und guter Lage mit hohen Abschlägen zu ersteigern. Ob eine zwangsversteigerte Immobilie ein Schnäppchen ist, muss in jedem Einzelfall nach Lage, Ausstattung, Baujahr, Zustand, Größe und anderem beurteilt werden. Gestattet der bisherige Eigentümer einem Gutachter keine Besichtigung vor dem Versteigerungstermin, basiert das zur Ermittlung des Verkehrswertes herangezogene Wertgutachten auf einer reinen Außenbesichtigung und den vorliegenden Unterlagen. Sanierungsstau und eventuelle Beschädigungen, die zu hohen Folgekosten führen, können somit im Gutachten nicht berücksichtigt werden. Dieses prinzipielle Risiko sollte vor Abgabe eines Gebots bedacht werden, denn weder Alteigentümer noch der Gutachter können für eventuelle Mängel haftbar gemacht werden. Es empfiehlt sich auch, vor Teilnahme an der Versteigerung Einsicht in den Grundbucheintrag zu nehmen, um eventuell eingetragene Wegerechte oder ähnliches in Erfahrung zu bringen. Zusammen mit den vielerorts leeren Immobilienmärkten, sind Zwangsversteigerungen besonders für Erstkäufer aktuell nicht empfehlenswert. Ohne Erfahrung mit Immobilien und den damit verbundenen Kostenrisiken kann sich ein vermeintliches Schnäppchen schnell als Schuldenfalle entpuppen.

Gibt es regionale Unterschiede?
immowelt: Der wichtigste Wertfaktor einer Immobilie ist und bleibt die Lage. Das beginnt bei der Region, geht weiter zur einzelnen Stadt und endet bei der direkten Nachbarschaft. In Märkten wie München, Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main ist es so gut wie ausgeschlossen, bei Zwangsversteigerungen ein Schnäppchen zu machen. Das Interesse an Kaufimmobilien ist so immens, dass in größeren Städten teils hunderte Interessenten zu Versteigerungsterminen erscheinen - wenn es überhaupt zur Versteigerung kommt und die Immobilie nicht freihändig verkauft wird. Was hier dennoch zwangsversteigert wird, befindet sich häufig in Randlage, ist in schlechtem Zustand oder beides zusammen. In ländlichen Regionen mit weniger Nachfragedruck ist der Andrang weniger groß, hier sind aber die normalen Immobilienmärkte auch weitaus entspannter und die Preise geringer.

Wenn ich die Immobilie ersteigert habe, wie sind dann für mich als neuer Besitzer die nächsten Schritte?
immowelt: Die Fälligkeit der Zahlung wird vom Gericht festgelegt, meist liegt der Zahlungstermin vier bis acht Wochen nach der Versteigerung. Bis dahin muss die Summe angewiesen sein, damit die Eintragung ins Grundbuch erfolgt. Ist der bisherige Eigentümer bereits ausgezogen beziehungsweise ist das Objekt nicht vermietet, unterscheidet sich das weitere Procedere nicht von einem normalen Immobilienkauf. Sollte der bisherige Eigentümer die Immobilie weiterhin bewohnen, hat der Käufer mit der Ersteigerung gleichzeitig einen Räumungstitel erhalten. Dennoch kann es im Konfliktfall einige Wochen bis Monate dauern, diesen mithilfe eines Gerichtsvollziehers durchzusetzen. Ist das Objekt vermietet, gilt: Der Wechsel des Eigentümers tangiert den Mietvertrag nicht. Dem neuen Eigentümer steht aber wie bei einer normal erworbenen Immobilie das Mittel der Eigenbedarfskündigung zur Verfügung.



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20. November 2017 09:19
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