Autofahren mit Handicap ist möglich

Technische Hilfsmittel und speziell ausgebildete Fahrlehrer unterstützen bei besonderen Bedürfnissen

Fahrschule (7 Einträge)

 

Der Traum vom eigenen Führerschein, von Unabhängigkeit, Mobilität: Viele Menschen träumen ihn. Auch Menschen mit Handicap, wie einer Muskel- oder Sehschwäche, einer Amputation, einer Spastik, einer Lähmung, Kleinwuchs, Taubheit oder auch nach einem Schädel-Hirn-Trauma wünschen sich oft den Führerschein. "PS: Dein Auto" hat mit Alfons Hemauer aus Regensburg gesprochen. Er bildet Menschen aus, die trotz Behinderung den Führerschein machen wollen oder nach einer Krankheit - wie einem Schlaganfall - zurück ans Steuer möchten.

"Es gibt nur wenige Behinderungen und Krankheitsbilder, die den Führerschein unmöglich machen," verdeutlicht Alfons Hemauer. Er und sein Team versuchen, auf jedes Krankheitsbild und jedes Handicap individuell einzugehen. Selbst Menschen mit Autismus oder dem Tourette-Syndrom können sich heute hinters Steuer wagen. Voraussetzung ist in vielen Fällen die Zustimmung eines Facharztes. Auch wer sich mit dem Lernen schwer tut, der kann mit etwas Lernhilfe und Fleiß die Theorieprüfung erfolgreich ablegen.

Oft mehr Fleiß

"Gesunde Führerschein-Absolventen fangen oft erst auf den letzten Drücker an zu lernen," so Hemauer. Wer trotz Einschränkungen zum Führerschein antrete, nehme die praktische und theoretische Prüfung oft ernster als junge Menschen ohne Handicap, die es bei den ersten Versuchen - gerade in der Theorie - gerne mal drauf ankommen lassen. "Da wird dann erst schnell mal am Abend vor der Theorieprüfung ein Blick auf die Fragen geworfen", erklärt Hemauer, der natürlich auch Fahrschüler ohne Behinderungen unterrichtet.

Seine Klienten mit Behinderung nehmen es aber in der Regel genauer mit der Vorbereitung. "Meine Erfahrung bestätigt, dass Prüflinge mit Behinderung seltener durchfallen als Menschen ohne Handicap," resümiert Alfons Hemauer.

Gerade, wer in seiner Mobilität eingeschränkt ist und ins Berufsleben starten möchte, für den ist der Führerschein oft essenziell notwendig. Wer im Rollstuhl sitzt, für den ist die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oft beschwerlicher als die Fahrt mit dem eigenen Auto. Bei manchen Behinderungen ist das Pendeln mit Bus oder Bahn kaum möglich.

Technische Hilfsmittel

Wer den Führerschein machen möchte, für den gibt es zahlreiche technische Hilfen, die ein Fahren oft erst ermöglichen. Alfons Hemauer erläutert: "Menschen mit Muskelschwäche oder Lähmungen in den Beinen können in einem umgebauten Auto mit Handgas und Handbremse oft ihre Behinderung ausgleichen". Gas und Bremse können hier mit einer besonderen Vorrichtung mit der rechten oder linken Hand bedient werden.

Bei einer neu einsetzenden teilweisen Lähmung in der rechten Körperhälfte, wie zum Beispiel nach einem Schlaganfall, wird mit einem simplen Umbau das ursprüngliche Gaspedal abgedeckt und das neue Pedal nach links, entweder mechanisch oder elektronisch, verlegt. Somit ist man in der Lage, das Gas- und das Bremspedal mit dem linken Fuß zu bedienen.

Auch ein Lenkknopf, der zum Beispiel bei einer halbseitigen Lähmung an verschiedenen Bereichen am Lenkrad angebracht werden kann, sorgt dafür, dass das Lenken leicht vonstatten geht und dass der Mobilität nichts im Wege steht. Pedalerhöhungen und spezielle Sitzerhöhungen gleichen Kleinwuchs aus.
Menschen mit Fehlbildungen an den Händen können mit einem sogenannten Dreizack zum Beispiel verkürzte Finger ersetzen. "In den meisten Fällen ist natürlich ein Automatikfahrzeug von Vorteil," betont Hemauer.

Fahrschüler mit verminderten Sehvermögen, die den Führerschein für Fahrzeuge der Gruppe 1 wollen - hierzu zählt das Auto - müssen mindestens 70 Prozent Sehvermögen auf beiden Augen vorweisen können. Hier reicht eine Bescheinigung vom Optiker. Sollte das Sehvermögen darunter liegen, ist ein augenärztliches Zeugnis oder Gutachten notwendig, das die Fahrtüchtigkeit bescheinigt. Hierunter fallen zum Beispiel Menschen die auf einem Auge blind sind.

Wenn ein Mensch Fahrzeuge der Gruppe 2, zum Beispiel einen Lastwagen oder Omnibus, fahren möchte, rot-grün-blind ist oder ein eingeschränktes Gesichtsfeld hat, muss er auf jeden Fall ein Gutachten vom Augenarzt vorlegen. Dieses Gutachten entscheidet dann endgültig darüber, ob der Führerschein in Angriff genommen werden kann oder nicht.

Auch andere Erkrankungen, wie zum Beispiel Schizophrenie, Epilepsie oder Diabetes sind nicht automatisch ein K.o.-Kriterium für den Führerschein. Hier müssen Fahrschüler oft nachweisen, dass sie mit Medikamenten gut eingestellt sind. Dies muss meist regelmäßig von einem Arzt bestätigt werden. Die endgültige Erlaubnis kann hierbei nur ein Facharzt geben.

Sonderfall Taubheit

Ein besonderer Fall ist vollständige Taubheit. "Hier ist es natürlich schwierig Anweisungen zu geben, wenn diese akustisch nicht verstanden werden und Fragen der Schüler zu beantworten, wenn deren Sprachvermögen eingeschränkt ist. Doch auch hier gibt es verschiedene Fahrschulen in Deutschland, in denen mit Gebärdensprache gearbeitet wird", erläutert Hemauer. Bei einer eventuellen Störung des Gleichgewichtsinnes ist der Erwerb des Führerscheins nicht möglich.

Der Fahrlehrer macht auch oft die positive Erfahrung, dass Menschen, die den Führerschein Jahrzehnte lang besitzen und deren Seh- und Hörfähigkeit oder die Reaktionen nachlassen, gerne noch einmal bei einer Fahrschule überprüfen lassen, ob die Sicherheit noch gewährleistet ist.

"Viele Menschen kommen auf Anraten der Kinder, der Enkel oder des Ehegatten zu mir und holen sich die Bestätigung, dass sie noch sicher im Verkehr unterwegs sein können." Dabei gibt der Fahrlehrer dann Tipps, wo besonders aufgepasst werden muss. Bei diesen Überprüfungsfahrten wird auf das Umfeld und die Wünsche des Fahrers besonders eingegangen. Eine Bescheinigung über die erreichte oder nicht erreichte Fahrkompetenz wird dem Teilnehmer dann ausgestellt.

Teuere Umrüstungen

Angst, seinen Führerschein bei einer freiwilligen Überprüfung zu verlieren, muss übrigens niemand haben. Bei nicht erreichter Fahrkompetenz wird selbstverständlich keine Meldung an eine Behörde gegeben. Hier wird nur an die Vernunft der Verkehrsteilnehmer appelliert.

Wenn die Führerscheinprüfung trotz Handicap geschafft wurde, kommt aber eine neue Hürde. Spezielle Umbauten kosten heute ab etwa 100 Euro, für einen Lenkknopf bis etwa 160.000 Euro für ein komplett umgebautes Fahrzeug mit Joysticklenkung. Hierfür gibt es in Deutschland spezielle Firmen. Oft wird aber von verschiedenen Kostenträgern der Kauf ermöglicht. Zum Beispiel junge Menschen mit Behinderung, die am Anfang eines Berufslebens stehen, können Anträge auf die Finanzierung eines Fahrzeugs stellen.

Die Vernunft zeige, dass jahrzehntelanges Fahren mit einem Taxi zur Arbeitsstelle dem Kostenträger oft teurer kommt als eine einmalige Anschaffung oder eine Umrüstung eines Fahrzeugs. Alfons Hemauer rät auf jeden Fall, sich hier zu erkundigen.



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24. October 2017 08:51
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